Dem Insektensterben auf der Spur
Bestäubende Insekten sind für die Biodiversität und die landwirtschaftliche Produktion unersetzlich. Doch seit Jahren geht der Bestand an Bienen, Hummeln und weiteren Insekten stark zurück. Mögliche Gründe reichen vom Klimawandel über den Einsatz von Pestiziden bis zum Verlust von Lebensraum. Nun haben Biologinnen und Biologen der Universität Ulm erstmals nachgewiesen, dass die Landnutzungsintensität und klimatische Veränderungen das chemische Duftprofil und die Körpergröße von Steinhummeln beeinflussen. Beide Faktoren könnten mitursächlich für den Insekten-Rückgang sein. Die Forschungsergebnisse sind im Fachjournal PLOS ONE erschienen.
Die große Mehrzahl der Wild- und Kulturpflanzen wird von Insekten bestäubt. Umso beunruhigender sind Ergebnisse der Forschungsplattform Biodiversitäts-Exploratorien: In einem Zeitraum von zehn Jahren ist die Anzahl der Insektenarten um ein Drittel zurückgegangen. Nun haben sich Ulmer Forschende auf Ursachensuche begeben: In den Exploratorien Schwäbische Alb, Hainich-Dün und Schorfheide-Chorin analysierten sie, wie sich Umweltbedingungen auf Arbeiterinnen der Steinhummel (Bombus lapidarius) auswirken. Die untersuchten Gebiete in Nord-, Mittel- und Süddeutschland sind in verschieden stark genutzte landwirtschaftliche Flächen eingebettet. Im Rahmen der Forschungsplattform werden zum Beispiel regelmäßig Klima-Daten aufgezeichnet und die Landnutzungsintensität erhoben – festgemacht an Beweidung, Mahd und Düngung.
Duftprofil der Steinhummel analysiert
Professor Manfred Ayasse, Seniorautor der jetzt veröffentlichten Publikation,
ist Experte für die chemische Kommunikation von Insekten. Der Ulmer Biologe
weiß: Eine Störung der Pheromonproduktion – etwa durch Umwelteinflüsse –
kann den Fortbestand ganzer Kolonien gefährden. Daher stehen
Oberflächenduftstoffe der Steinhummel im Zentrum der aktuellen Studie.
Alle benötigten Steinhummeln wurden im Sommer 2018 auf 42
Experimentierflächen der Biodiversitäts-Exploratorien eingesammelt und im
Labor untersucht. „Mithilfe von chemischen Analysen haben wir die Menge und
Zusammensetzung der Oberflächenduftstoffe von 307 Hummeln analysiert. Zudem
wurde die Größe jedes Insekts gemessen; und letztlich haben wir unsere
Ergebnisse mit der Bewirtschaftungsintensität der Untersuchungsflächen aus
den drei Exploratorien korreliert“, erklärt Erstautor Florian Straub,
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ulmer Institut für Evolutionsökologie und
Naturschutzgenomik.
Gestörte Insektenkommunikation
Die Untersuchungen zwischen Feld und Labor belegen den Einfluss der
Umweltfaktoren und insbesondere der landwirtschaftlichen Nutzung. Tatsächlich
verändert sich das Duftprofil der Steinhummel in Abhängigkeit von der
Temperatur und Bewirtschaftungsintensität am Standort. Im Exploratorium
Schorfheide-Chorin konnten die Forschenden zudem zeigen, dass die
Gesamtduftstoffmenge durch eine steigende Landnutzungsintensität zunimmt.
Sowohl die Veränderung des Duftprofils als auch der Duftstoffmenge birgt das
Risiko, die chemische Insekten-Kommunikation zu stören.
Von einer solchen Modifikation ist auch das Königinnenpheromon betroffen, das
eine Schlüsselrolle beim Insektensterben spielen könnte. Dieses Pheromon
erfüllt nämlich eine wichtige Funktion bei der Arbeitsteilung und der
sozialen Interaktion im Nest. Eine Störung dieser chemischen Kommunikation hat
somit Auswirkungen auf die Fortpflanzung und die weitere Entwicklung der
Kolonie.
Für die abnehmende Körpergröße der Insekten fanden die Forschenden ebenfalls eine Erklärung: Ursächlich ist wohl die Wechselwirkung zwischen Landnutzungsintensität und Untersuchungsregion, die beispielsweise das Futterangebot beeinflusst. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten, dass weniger Futter einen nachteiligen Effekt auf die Larven-Entwicklung hat. Eine geringere Körpergröße gefährdet wiederum den Steinhummel-Bestand, indem kleinere Insekten weniger Nahrung transportieren und nicht so lange Strecken bei der Futtersuche zurücklegen können.
Schlüssel für das Insektensterben?
„Offenbar wirken sich eine intensive landwirtschaftliche Nutzung und
Temperatur-Änderungen nachteilig auf die Fortpflanzung und Kolonieentwicklung
der Steinhummel aus. Dies könnte eine Ursache für den dramatischen
Insekten-Rückgang sein“, resümiert Professor Manfred Ayasse von der
Universität Ulm. Allerdings sei der Effekt der Landnutzung oft erst in
Verbindung mit klimatischen Veränderungen relevant gewesen.
Zukünftige Studien sollten die verschiedenen Einflussfaktoren – insbesondere
rund um die landwirtschaftliche Nutzung – stärker differenzieren und die
Mobilität der Insekten berücksichtigen.
Die Forschenden der Universität Ulm (Institut für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik), der TU München und der drei Exploratorien wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Zuge des Langzeit-Projekts „Biodiversitäts-Exploratorien“ unterstützt.
Zu den Biodiversitäts-Exploratorien
Die drei Biodiversitäts-Exploratorien Schwäbische Alb, Hainich-Dün und Schorfheide-Chorin sind Teil einer Forschungsplattform, die seit 2006 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. Auf real bewirtschafteten Untersuchungsflächen erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie sich unterschiedliche land- und forstwirtschaftliche Bewirtschaftungsformen auf die Biodiversität auswirken. Die Leitung des Exploratoriums Schwäbische Alb hat Professor Manfred Ayasse von der Universität Ulm.
Straub F, Kuppler J, Fellendorf M, Teuscher M, Vogt J, Ayasse M (2022) Land-use stress alters cuticular chemical surface profile and morphology in the bumble bee Bombus lapidarius. PLoS ONE 17(5): e0268474. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0268474
(Foto: Schwenninger, Ulmer Forschende haben das chemische Duftprofil von Steinhummeln untersucht)
Universität Ulm
Landnutzung und Klima stören Kolonieentwicklung der Steinhummel
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